Kunstpreis Ottersberg 2024
Preisträgerin Hauptpreis
Anja Fußbach

Die Bremer Künstlerin Anja Fußbach zeigt mit ihrer konsequenten und eigenständigen künstlerischen Praxis seit über dreißig Jahren eine bemerkenswerte Kontinuität, die nicht von Marktinteressen, sondern von einer klaren, persönlichen Vision getrieben wird. Ihre Werke zeichnen sich durch eine einzigartige Mischung aus Pop Art, Trash-Ästhetik und feministischen Einflüssen aus, die eine kraftvolle, provokative Sprache sprechen.
„Overwhelmed“ stellt einen getufteten Wandteppich dar, der Kunst mit DIY und einer kräftigen Portion Punk-Attitüde verbindet. Die übertriebene Darstellung der Figur – mit dicken Lippen, großen roten Augen und Zigarettenstummel – wirkt fast wie eine Karikatur und vermittelt auf humorvolle Weise eine Reflexion über Selbstwahrnehmung und Gesellschaftsdruck. Diese grotesken Gesichtszüge tragen eine Mischung aus Selbstironie und Selbsterkenntnis, die die Arbeit auf mehreren Ebenen spannend und tiefgründig macht.
Der Teppich ist mehr als nur ein dekoratives Element – er ist ein Statement. Fußbach nutzt Textilkunst als eine bewusste, weiblich konnotierte Alternative zu schwereren Materialien wie Metall und schafft so eine fast meditative Arbeitsweise. In ihrem Werk begegnen uns Gegensätze, die sie meisterhaft aushält: die zarten, weichen Textilien im Kontrast zu den harten, geschweißten Arbeiten, die wir aus ihrem Gesamtwerk kennen. Dieser Mix aus Materialien und Techniken – Mixed Media in seiner reinsten Form – macht die Einzigartigkeit und Vielschichtigkeit von Fußbachs Kunst aus.
Anja Fußbach ist eine Künstlerin, die sich nicht an gängige Normen anpasst, sondern ihre eigene Sprache entwickelt hat, die uns herausfordert, unser Verhältnis zu Kunst, Gesellschaft und Selbstwahrnehmung neu zu denken. Ihre Werke sind ein lebendiger Dialog zwischen hochkulturellen Einflüssen und der Welt des Trashs, zwischen künstlerischer Ernsthaftigkeit und humorvoller Provokation.
Nicole Giese-Kroner
Preisträger:innen Nachwuchspreis
Veronika Domp

Veronika Domp, eine der beiden Träger*innen des diesjährigen Nachwuchsförderpreises, greift in ihrer Serie „@every.other.traveller“ die Bildwelten von Reise-Influencer:innen auf Instagram auf. In einem KI-basierten Projekt erstellte sie 160 Bilder und 400 Storys, die über 80 Tage veröffentlicht wurden – angelehnt an Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt. Domps fiktive Reise-Influencerin „Wiktoria Wael Tournee“ besucht die populärsten Instagram-Spots, dabei verschwimmen Realität und Fiktion in überzeichneter Weise. Diese Arbeit deckt nicht nur die Manipulationen auf, die auf Social Media an der Tagesordnung sind, sondern auch die verbreiteten Schönheitsideale und überzogenen Körpernormen.Mit grotesk-humorvollen Übertreibungen und Bildbearbeitungen spielt Domp auf den sogenannten „Slim Thick“-Look an und kritisiert den Trend zum Missbrauch des Diabetes Medikament Ozempic zum Abnehmen.
Nicole Giese-Kroner
Finn Geiger

Finn Geiger ist ebenso wie Veronika Domp diesjähriger Förderpreisträger. Sein Werk „Anticipation“ reflektiert die Beziehung zwischen Mensch und digitaler Technologie. Die multimediale Installation entblößt die inneren Strukturen digitaler Geräte – Kabel, Platinen und „nackte“ Bildschirme – und lenkt den Blick auf die Mechanik, die normalerweise im Hintergrund verborgen bleibt. Geigers Ziel ist es, durch diesen Bruch das Unsichtbare sichtbar zu machen und die Frage nach der Bedeutung und Wahrnehmung technologischer Systeme in den Fokus zu rücken.
In „Anticipation“ sehen wir Bildschirme, die auf einem Stativ in Augenhöhe montiert sind und eine brennende Haushaltskerze aus verschiedenen Perspektiven zeigen. Eine Kamera nimmt das Bild der Kerze auf, das durch ein Rechenprogramm in Echtzeit verarbeitet wird.Die beiden äußeren Bildschirme zeigen unterschiedliche, schnelle Visualisierungen der Aufnahme, während der zentrale Bildschirm die minimalen zeitlichen Verschiebungen zwischen den Einzelbildern sichtbar macht. Das Motiv der Kerze verweist subtil auf Nam June Paiks Arbeit „Eine Kerze“ (1989), die mit analogen Mitteln das Licht als grundlegendes Element der Videokunst feiert. Doch während Paiks Kerze ein Symbol für das Lebendige und Flüchtige ist, lässt Geiger den technischen Aspekt der digitalen Erfassung und zeitlichen Differenz hervortreten.
Nicole Giese-Kroner